Mein Kind soll nicht brav sein!

So. Jetzt kommt er. Sicher einer meiner persönlichsten Beiträge. Über mein persönliches Unwort! Das Wort impliziert für mich so viel und hat doch keine genaue Aussage. Scheinbar ALLE verwenden es – unüberlegt, vielleicht auch ohne jemals über die eigentliche Bedeutung nachgedacht zu haben.

Wenn du bis hierhin gelesen hast – SEHR BRAV 😉

Und da ist es schon, das Wort.
,,BRAV“
,,Du bist aber brav heute!“
,,Du ißt aber brav!“
,,Wenn du brav bist, bekommst du wahrscheinlich was vom Christkind!“
,,Hilfst du deiner Mama wohl auch brav?“
,,Warst du heute brav?“

Diese Zuschreibung wird einfach so oft verwendet, dass mir persönlich unwohl dabei zumute ist.
Meist versuche ich, dieses Wort einfach zu ignorieren – und mich aufs Atmen zu konzentrieren.
Ganz oft versuche ich auch für meine Tochter zu übersetzen. Denn das Wort ,,brav“ beinhaltet so viele Zuschreibungen, das es praktisch unmöglich ist, dass ein Kleinkind genau entschlüsselt, was denn damit genau gemeint ist.
Meine Tochter schaut meist fragend, wenn ihr Appetit beim Mittagessen mit den Worten ,,Du ißt aber brav!“, kommentiert wird. Ich versuche dann oft zu übersetzen: ,,Er meint, dass dir das Essen augenscheinlich gut schmeckt!“ oder ,,Sie meint wahrscheinlich, dass du Hunger hast!“
Was GENAU aber der Satz in diesem Zusammenhang bedeutet, weiß ich nicht. Müsste ich erst von meinem Gegenüber erfragen. Dabei würde sich derjenige im Besten Fall einmal Gedanken darüber machen, was er denn EIGENTLICH sagen wollte. Im schlechtesten Fall fühlt er sich auf den Schlips getreten. Oder versteht die Frage einfach nicht.

Für mich persönlich ist ,,brav“ eines der schlimmsten Eigenheiten, die man einem Kind zuschreiben kann.
Denn eigentlich bedeutet es meistens, dass das Kind in bestimmten Situationen leise, nicht oder kaum spürbar und angepasst war. Es hat den Erwartungen der anderen, zumeist Erwachsenen, entsprochen.
Klingt irgendwie nicht sehr nach ,,Kind sein dürfen“.

Oft hört man dann auch so Sätze wie: ,,Der war heute so brav, da haben wir gar nicht gemerkt dass er dabei war!“
Wie SCHADE ist denn DAS bitte? Meist ist es sicher nicht direkt so gemeint, wie es ausgesprochen wurde, aber man sollte vielleicht einmal darüber nachdenken, was genau dass denn in einem Kind auslösen kann – vor allem auf die Jahre gesehen!
Zeitgleich impliziert diese Aussage ja dann für ein anderes Kind, welches vielleicht auch gerade anwesend ist, dass es doch gefälligst bitte auch nicht auffallen soll! Was aber, wenn dieses Kind einfach ein Kind voller Tatendrang und Neugier ist und nicht gerne stillschweigend, unauffällig und ,,brav“ in der Ecke sitzen will?
Wird es denn dann weniger gemocht? Erfährt dieses Kind bei der Verabschiedung trotzdem Anerkennung? So was wie ,,Du hast heute aber viel zu entdecken gehabt?“ oder ,,Du warst heute aber neugierig, gell?“

Kann man denn nicht einfach SAGEN was man MEINT?
Viel verständlicher wäre es doch auch für die (Klein)Kinder, wenn sie genau wüssten, was das Gegenüber meint!

Also lieber ,,Heute warst du aber geduldig“ oder ,,Heute hast du die anderen gerne beobachtet“.
,,Ich sehe, dass du heute Hunger hast/ dass es dir heute sehr schmeckt!“

Auch viel zu häufig wird das Wort ,,brav“ als Lob verwendet – was ich genauso wenig leiden kann!
Denn hiermit versucht man, dem Kind die Richtung des Verhaltens vorzugeben, das man gerne hätte. Man ,,ver-zieht“ es in eine Richtung, die sich der Erwachsene wünscht. Versucht so, dem Kind das Verhalten so schmackhaft zu machen, damit es dieses Verhalten immer wieder zeigt. Natürlich im besten Fall zu helfen, zu teilen oder beim Begrüssen jemanden die Hand zu reichen
Sagt jemand zu einem Kind, dass es brav spielt, meint es doch auch meist nur, dass es leise, unauffällig oder sozial erwünscht und verträglich gespielt hat.
Abgesehen davon, dass das (Klein)Kind wieder nicht versteht, was denn GENAU damit gemeint ist. ,,Brav“ ist einfach zu schwammig.

❗️ Mein persönliches Fazit: Jetzt wissen es alle. Ich hasse ,,brav“. Und solange das Wort in meinem Umfeld immer wieder fällt, wird man mich des Öfteren dabei ertappen, wie ich meine Augen dabei verdrehe. Mir wäre es angenehm, würde das Wort in meiner Gegenwart oder in Gegenwart meiner Tochter, insbesondere im Zusammenhang mit meiner Tochter, nicht fallen. Eigentlich sollte es in Bezug auf Kinder überhaupt nicht verwendet werden. Es gibt so eine bunte Vielfalt an Adjektiven, die verwendet werden wollen! 🧡

❗️ Zum Thema Loben erscheint bald ein separater Artikel!