Die Nacht, die niemals endet
Abendzeit ist Schlafenszeit. Mag man meinen. Für viele Eltern beginnt jedoch erst der anstrengendste Teil des Tages. Wenn das Baby viel zu erzählen hat, weil der Tag mit seinen vielen verschiedenen Sinneseindrücken sehr anstrengend war oder es weint, weil es ,,Gebärmutterheimweh“ hat, wird der Abend oft zu einer großen Herausforderung. Da wird unter Umständen gestillt, getragen, geschaukelt, gesungen, gesaugt oder geföhnt (wegen dem möglicherweise beruhigenden Rauschen), gekuschelt, gepuckt,… .Was auch immer in diesen Momenten möglicherweise Linderung verschaffen könnte, wird versucht. In vielen Familien gestaltet sich jedoch auch die Nacht als große Herausforderung, mit vielen Wachphasen und wenig Schlaf – vor allem im ersten Lebensjahr.
Die Nacht aus Sicht des Babys
Babys erleben eine komplette Lebensumstellung! Alle müssen erst die Erfahrungen ihrer Geburt und die ersten Eindrücke auf dieser Welt sacken lassen und verarbeiten! Jede Geburt ist auf ihre Art und Weise für das Kind traumatisch, deswegen ist es wichtig, dem Kind die körperliche Nähe und Geborgenheit zu geben die es braucht, um sich in dieser Welt sicher und geborgen zu fühlen.
Viele Babys wachsen sehr häufig auf – zum einen um zu trinken und um Nähe zu tanken und zum anderen, um sich zu vergewissern, dass noch alles so ist wie zu Beginn des Schlafens.
Letzteres ist noch ein Überbleibsel der Evolution, durch das sich das Kind vergewissert, dass es nicht von ihrem ,,Clan“ in der ,,Höhle“ vergessen wurde. Das häufige aufwachen ist auf Dauer also sehr belastend, aber nicht ungewöhnlich!
Vor allem bei Neugeborenen und bei Kindern unmittelbar vor Entwicklungsschüben ist das sehr häufige, auch stündliche Stillen, absolut sinnvoll und wichtig. Das beinahe ständige an der Brust ,,hängen“ nennt man Clustern. Das kann man vor allem unmittelbar vor Entwicklungssprüngen beobachten, da in diesen Zeiten dann ganz besonders viel Energie benötigt wird. Häufiges Anlegen ist also absolut sinnvoll – auch um die Milchproduktion anzuregen!
Die meisten Babys können nur mit direktem Körperkontakt gut einschlafen und auch weiterschlafen. Das ist evolutionär bedingt, ein super Schutzmechanismus! So ist das Baby immer sicher, dass es nicht ,,alleine in der Höhle vergessen“ wird.
Manche Babys können besonders gut schlafen, wenn das sanfte Schaukeln im Mamabauch nachempfunden wird. Deswegen ist für viele das Tragen im Tragetuch oder in der Trage sehr sehr entspannend und angenehm. Neben dem Schaukeln gibt es noch die volle Portion Mama oder Papa – Geborgenheit pur! Allerdings sind Nächte mehr oder weniger zum Erholen da, deswegen sollte nur in Ausnahmesituationen Nachts die Trage oder der Pezziball ausgepackt werden.
Die Nacht aus Sicht der Eltern
Auch für Eltern ist das Leben mit Baby, oder mit einem weiteren Baby, eine Lebensumstellung.
Einige Mamas finden in den ersten Wochen aufgrund des Hormonchaos nicht richtig in den Schlaf, sind am Tag müde und in der Nacht wach.
Bei vielen Eltern gibt es Ängste wegen dem plötzlichen Kindstod, weshalb sie sehr regelmäßig immer wieder wachwerden, um nachzusehen, ob das Kind noch atmet.
Anfangs herrscht oft noch Unsicherheit über die beste Stillposition – nicht allen gelingt das Stillen im Liegen auf Anhieb. Deswegen gehen viele Mamas dazu über, Anfangs im Sitzen zu stillen – wobei in dieser Position meist nicht gut geschlafen werden kann.
Schlafentzug macht mürbe und ängstlicher
Beide Listen lassen sich noch weiter fortführen, aber worum es mir geht ist, dass ich weiß, dass die Nächte mit Neugeborenen sehr einsam sein können.
Nachts wird sowieso alles als schlimmer empfunden, man ist empfindlicher, sensibler und oft unsicherer. Wenn man mit den Gedanken alleine ist, übermüdet und erschöpft, sieht man die Welt oft nur mehr in schwarz/weiss.
Schlafentzug war/ist nicht umsonst eine Foltermethode. Er macht mürbe, schmerzempfindlicher, kraftloser, unausgeglichener, unkonzentrierter, ängstlicher und auch weniger stressresistent.
ABER, das tröstliche ist, dass es unzählige Eltern in der gleichen Situation gibt!
Leider ist die Hemmschwelle oft einfach zu groß, dass Eltern zugeben ,,OK, meine Nacht ist sehr bescheiden und ich verzweifle gerade sehr!“ oder einfach andere um Rat fragen. Denn von vielen Seiten hört man ,,Ja, das gehört dazu! Es vergeht alles wieder!“ bis zum ,,Stell dich nicht so an! In ein paar Monaten/Jahren wärst du froh, hättest du diese Zeit mehr genossen – denn sie werden so schnell groß!“
Ja, die gesellschaftlichen Erwartungen hindern uns (wie so oft daran), uns offen mitzuteilen. Verständnis für die nächtliche Belastung oder Wertschätzung für das Überstehen eines Tages nach einer Nacht, die keine war, bekommt man leider selten. Da muss man sich schon selbst auf die Schulter klopfen – und das sollte man unbedingt auch tun!
Ideen für durchwachte Nächte
Damit diese durchwachten Nächte vielleicht ein bisschen ihren Schrecken verlieren, habe ich ein paar Ideen gesammelt mit denen die wachen Phasen vielleicht besser überstanden werden können.
👉🏼 Familienbett – ich bin ein großer Fan davon, vor allem weil es einerseits dem Kind gut tut und auf der anderen Seite die Mama entlastet. Denn das Kind weiß sich immer in Sicherheit wenn es aufwacht und die Eltern gleich sieht und hört. Und die Mama muss nicht extra bei jedem Babyweinen aufstehen, in den Nebenraum gehen und dann im Halbschlaf wieder retour ins Bett tapsen
👉🏼 An bestimmten Tagen oder zu bestimmten Uhrzeiten vom Partner ablösen lassen
👉🏼 Büchern, Ebooks oder Blogs lesen
👉🏼 Hörbücher oder Podcasts anhören
👉🏼 Meditieren, Visualisierungsübungen
👉🏼 Elternforen durchforsten
👉🏼 Recherchen zu diversen Themen (Tragetücher, Schuhe, was auch immer,…)
👉🏼 Onlineshopping oder bei Onlineauktionen mitbieten
👉🏼 Emails/Nachrichten beantworten
👉🏼 Ideen für diverse Projekte sammeln (Garten, Kinderzimmer, Geschenke für den nächsten Geburtstag …)
👉🏼 Unmittelbarer Austausch mit anderen wachen Müttern (What’s App Gruppe)
Und am Tag…
👉🏼 Wenigstens einen Babyschlaf nutzen um selbst zu rasten oder zu schlafen!
👉🏼 Aktiv um Hilfe bitten bzw. auch vom Partner ablösen lassen
👉🏼 Kurze Momente zum durchatmen nutzen – z.B. mit der
6×6 Atemübung
👉🏼 Essen bestellen – beim Gasthaus oder bei Freunden/Verwandten
👉🏼 Haushalt eine Zeit lang liegen lassen
👉🏼 Austausch mit Gleichgesinnten
👉🏼 Achtsame Momente schaffen, z.B. mit ein paar bewussten Schlucken vom Lieblingsgetränk
Was sind deine Strategien, um durch die Nacht bzw. den Tag zu kommen? Schreib es mir gerne in den Kommentaren! 🧡