,,Darf ich denn gar nichts mehr sagen …?“ Über psychische Gewalt
Generell unterscheidet man zwischen psychischer, physischer, sexualisierter, ökonomischer und struktureller Gewalt.
Den Blogbeitrag zur physischen Gewalt in der Erziehung findest du hier!
In diesem Beitrag geht es um die psychische Gewalt in der Erziehung- sie kommt jedoch genauso unter Erwachsenen vor!
Merkmale der psychischen Gewalt
Psychische Gewalt lebt von Drohungen, Erpressungen, Demütigungen, Isolation, Ignoranz und permanenten Schuldzuweisungen. Dem Gegenüber wird ständig ein Gefühl von Minderwertigkeit oder Wertlosigkeit vermittelt. Kinder werden oftmals mit Liebesentzug oder Ablehnung bestraft. Manche sollen die Wünsche und Ideale der Eltern erfüllen. Ältere Kinder werden hin und wieder auch (unbewusst) in die Rolle des ,,Ersatzpartners“ gezwungen.
,,Wenn du jetzt nicht aufisst, darfst du nicht zu deiner Freundin zum Spielen“
,,Na bitte, Friedrich kann das doch schon längst! Stell dich nicht so an!“
,,Wenn du jetzt deine Zähne nicht putzt, dann kommt der Papa und hält dich fest! Du weißt genau, dass das dann nicht lustig ist!“
Das alles sind Aussagen, die mit dem Kind etwas machen – psychisch. Sie strotzen vor Unterdrückung, Androhungen und Machtdemonstration. Denn Kinder sind ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten hilflos ausgeliefert. Sie sind abhängig von der guten Absicht der Erwachsenen.
Folgenschwere Erziehungsmethode
Bevor Kinder ihre Eltern in Frage stellen, und auch deren Aussagen, stellen sie zu aller erst sich selbst in Frage! Daher leiden Kinder, die einem gewaltvollen Elternhaus ausgeliefert sind, häufig an einem verminderten Selbstwertgefühl und großen Verlustängsten. Angststörungen (z.B. Sozialangst), äußerst aggressives Verhalten, Sprechstörungen, Einnässen oder Einkoten, Schlafstörungen oder Essprobleme können ebenso das Resultat einer gewaltvoller Erziehung sein – auch wenn die Gewalt ,,nur“ auf psychischer Ebene passiert!
Untersuchungen zeigen, dass Kinder, die Verwahrlosung oder Misshandlungen ausgesetzt sind, oft schwere Beeinträchtigungen des Lernverhaltens, des Sozialverhaltens und sogar Veränderungen der Hirnstromkurve (im EEG) zeigen. Auch zeigen sich oft neurobiologische Auffälligkeiten bis hin zur Verminderung des Gehirnvolumens.
Laut J. Juul ist Kritik ist vor allem für Kinder und Jugendliche lebensgefährlich. Sie sind noch nicht in der Lage, ihr Verhalten von ihrer Existenz zu trennen. Wenn ein Kind für sein Aussehen oder sein Verhalten kritisiert wird, dann nimmt es das persönlich und denkt, dass es seine Eltern, so wie es ist, nicht mehr lieb haben. Das führt auf Dauer dazu, dass das Kind sein eigenes Wesen hinterfragt. Es empfindet sich als ,,nicht gut“ so wie es ist. Es beginnt sich entweder zu verbiegen um den Erwartungen der Erwachsenen zu entsprechen oder aber, es geht in den ,,Kampfmodus“ und rebelliert in noch ausufernder Weise auf die Zuschreibungen der Eltern – um die Eltern in ihren Ansichten zu unterstützen.
Veränderung in Sicht
Ein kleiner Lichtstreif am Horizont ist, dass wohl bei einigen Menschen ein Umdenken stattfindet. Ein Überdenken. Viele spüren und sehen, dass die bisher gewählten Erziehungsmethoden nicht die Richtigen sind. Vielleicht haben sie im Nachhinein auch nicht zum erwünschten Ergebnis geführt. So mancher wird sich jetzt beim Lesen denken, ob man denn gar nichts mehr sagend darf. Doch, natürlich. Ob man jedes Wort in die Waagschale legen muss – Nicht zwangsläufig. Ob ein Unterlassen von Drohungen denn einer resignierten Haltung entspricht – Ganz sicher nicht. Manch einer wird eventuell eine große innere Unruhe spüren und sich mit Selbstvorwürfen quälen. Ein anderer liest vielleicht nur die ersten Absätze.
All das ist gut. Hauptsache, einige denken einmal darüber nach. Und wenn sie dann meinen, alles richtig zu machen – gut. Und wenn sie glauben, alles läuft falsch und man möchte etwas daran verändern – auch gut. Hauptsache, man hat sich EINMAL damit auseinandergesetzt. Oder eben nicht, weil es gerade nicht eines der Themen ist, denen man sich widmen möchte.
Bald gibt es dazu mehr. Über Bindung. Beziehung. Umgangsformen. Erziehung. Leben.